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Oberes Ahrtal bei Ahrhütte

Text überwiegend von NRW-Stiftung übernommen (Dr. R. Wißkirchen, Prof. Dr W. Schuhmacher)

Historische und aktuelle Nutzungen

In den Eifeler Kalkgebieten als bevorzugtem Altsiedelland kam es schon recht früh zur Trennung zwischen Wald und Ackerland. Im Rahmen der fränkischen Besiedlungsphase vom 9. bis 13. Jahrhundert wurden große Waldflächen durch Roden und Abbrennen für den Ackerbau erschlossen. Die verbleibenden Wälder waren einem starken Nutzungsdruck ausgesetzt, der sich in Waldweide, Niederwaldwirtschaft und übermäßiger Holzentnahme äußerte.
Auf für den Ackerbau ungünstigen Standorten wie flachgründige Hanglagen entstanden seit etwa dem 16. Jahrhundert im Rahmen extensiver Schafbeweidung landschaftsprägende magere Triften, oft durchsetzt mit Wacholder, einem vom Vieh gemiedenen Weideunkraut.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts begannen in der Eifel dann die großen Aufforstungen mit Nadelhölzern. Doch im Gebiet hielt sich die Nutzung als Schafsweide noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhundert. Erst nach 1950 wurden sie dann teilweise mit Kiefern bepflanzt, ansonsten kaum noch genutzt. Das Ackerland wurde dagegen im vollen Umfang beibehalten.

Vegetation

An erster Stelle sind hier die Kalkmagerrasen zu nennen. Wie fast überall in der nördlichen Eifel gehören die durch Schafbeweidung entstandenen Triften auf Kalk zu den Enzian-Schillergrasrasen (Gentiano-Koelerietum). Kennzeichnend für diese Pflanzengesellschaft ist ihr hoher Artenreichtum - die Artenzahlen in Aufnahmeflächen von 20 m2 erreichen oft 40-50 Arten. Hochstete Arten in den Kalkmagerrasen des Gebiets sind unter den krautigen Pflanzen z.B. Deutscher Enzian (Gentianella germanica), Tauben-Skabiose (Scabiosa columbaria), Stengellose Distel (Cirsium acaule), Hufeisenklee (Hippocrepis comosa) und Großblütige Braunelle (Prunella grandiflora) sowie unter den Süß- und Sauergräsern Aufrechte Trespe (Bromus erectus), Großes Schillergras (Koeleria pyramidata), Berg-Segge (Carex montana) und Blaugrüne Segge (Carex flacca).

Eine nicht unerhebliche Bedeutung hat im Gebiet auch die Ackervegetation. In dem im Schutzgebiet liegenden biozidfreien Acker ist alljährlich die für Halmfruchtäcker auf Kalk bezeichnende Adonisröschen-Gesellschaft (Caucalido-Adonidetum) mit charakteristischen Arten wie Acker-Haftdolde (Caucalis platycarpos), Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis), Kleinfrüchtiger Leindotter (Camelina microcarpa), Großer Frauenspiegel (Legousia speculum-veneris) und Feldsalat-Arten (Valerianella spp.) entwickelt. Nicht selten bildet der rot blühende Klatschmohn (Papaver rhoeas) schon von weitem sichtbare, flächenhafte Aspekte. Diese auch kulturgeschichtlich bedeutsame Pflanzengesellschaft ist in Nordrhein-Westfalen aufgrund vielfältiger Veränderungen in der Landwirtschaft, darunter insbesondere die flächendeckende Herbizidanwendung, stark gefährdet.

Der dritte vegetationskundlich wichtige Biotoptyp ist die Ahraue, von der eine kleinere Fläche zum Gebiet gehört. Nach dem Entfernen größerer Blaufichten-Kulturen sind üppige Hochstaudenfluren entstanden, die vor allem zur Baldrian-Mädesüßflur (Valeriano-Filipenduletum) gehören. Hierbei handelt es sich überwiegend um Sukzessionsstadien, die langfristig sich in Erlenauen-Wälder umwandeln. Weniger gilt das für die bachnahe Pestwurzflur (Chaerophyllo-Petasitetum hybridi), die im Kontakt zu den Sternmieren-Erlen-Auenwäldern (Stellario-Alnetum) steht, welche im Gebiet galerieartig den Ahrlauf begleiten.

An weiteren Pflanzenbeständen sind noch das im Randbereich der Kalkmagerasen an trockenen, flachgründigen Stellen entwickelte Schlehen-Ligustergebüsch (Pruno-Ligustretum) mit Berberitze (Berberis vulgaris) und Wolliger Schneeball (Viburnum lantana) sowie das frischer stehende Weißdorn-Schlehengebüsch (Crataego-Prunetum spinosae) mit den namensgebenden Arten zu nennen. Hinzu kommen im Kontakt zu Gebüschen, Wald- und Wegrändern auf frischen oder mäßig trockenen Standorten linienartige Bestände der Hügelklee-Odermennig-Säume (Trifolio medii-Agrimonietum). Relativ großflächig finden sich im Gebiet schließlich noch Nadelholz-Forste mit Wald- und Schwarzkiefern (Pinus nigra-Pinus sylvestris-Bestand), auf einer größeren Fläche auch mit Grauerlen (Alnus incana) gemischt.
Potentielle natürliche Vegetation (PNV).

Flora (Farn- und Blütenpflanzen)

Bislang konnten 292 Arten bzw. Sippen, darunter 62 der Roten Liste NRW festgestellt werden, die meisten von ihnen Arten der Offenlandbereiche. Entsprechend den geologischen Verhältnissen finden sich viele Kalkzeiger. Das zeigt sich in allen drei Haupt-Biotoptypen, den Kalkmagerrasen, den Kalkäckern und den Staudenfluren der Ahraue.
Orchideen wie Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera), Kleines Knabenkraut (Orchis morio), Stattliches Knabenkraut (Orchis mascula), Honigorchis (Herminium monorchis) und Große Händelwurz (Gymnadenia conopsea ssp. conopsea) sind für die Kalkmagerrasen ebenso bezeichnend wie Deutscher- und Fransen-Enzian (Gentianella germanica, G. ciliata), Gewöhnliches Katzenpfötchen (Antennaria dioica), Knäuel-Glockenblume (Campanula glomerata), Kleines Mädesüß (Filipendula vulgaris), Gewöhnliche Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris), Großblütige Braunelle (Prunella grandiflora), Wiesen-Salbei (Salvia pratensis) und Geflecktes Ferkelkraut (Hypochaeris maculata).
In dem im Gebiet liegenden Kalkacker wachsen typische Kalk-Unkräuter wie Sommer-Adonisröschen (Adonis aestivalis), Echter Frauenspiegel (Legousia speculum-veneris), Acker-Haftdolde (Caucalis platycarpos), Kleinfrüchtiger Leindotter (Camelina microcarpa ssp. sylvestris) und Gefurchter Feldsalat (Valerianella rimosa) zusammen mit Massenbeständen von Klatschmohn (Papaver rhoeas).
In der Ahraue finden man im Bereich der Hochstauden seltene Arten wie Breitblättrige Glockenblume (Campanula latifolia), Gelber- und Blauer Eisenhut (Aconitum lycoctonum, A. napellus).
Weitere floristische Besonderheiten kommen im Gebiet hinzu, wie Echte Kugelblume (Globularia punctata) und Berg-Gamander (Teucrium montanum) auf sehr flachgründigen und trockenen Hangbereichen, oder Akelei (Aquilegia vulgaris) an Gebüschrändern - nicht zu vergessen der in den Magerrasen und felsigen Hangpartien eingestreute Wacholder (Juniperus communis). Als große Seltenheit der Kalkmagerrasen mit nur wenigen Individuen ist schließlich noch das Spatelblättrige Greiskraut (Tephroseris helenitis) zu erwähnen. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei einigen der vorher genannten Arten. So ergaben Zählungen beim Deutschen Enzian Populationsgrößen von ca. 14.000 Pflanzen und bei der Gewöhnlichen Kuhschelle von ca. 5600 blühende Pflanzen.

Nutzung, Pflege, Entwicklung

Ende der 70er Jahre befanden sich die seit den 50er Jahren nicht mehr genutzten Kalkmagerasen in einem stark verfilzten Brache-Zustand, deutliche Anteile waren mit Wald- und Schwarzkiefern aufgeforstet worden. Expansive Naturverjüngung aus diesen Nadelholzforsten führte zudem mit der Zeit zu einer Verbuschung der verbliebenen Magerrasen-Flächen. Im Rahmen von Pflegemaßnahmen (Ausreißen bzw. Fällen der Jungkiefern) konnten sie dann im Laufe der 80er Jahre weitgehend von Kiefern befreit werden. Die wieder aufgenommene regelmäßige Beweidung mit Schafen in Hütehaltung bendete auch das Problem der Verfilzung. Eine kleine Magerrasenfläche auf dem Plateau wird durch Mahd offen gehalten.

 
 
Die in dem Kalkacker am Rotzer Berg erhalten gebliebenen Bestände seltener Ackerunkräuter konnten durch Einrichtung von Ackerrandstreifen wieder deutlich regeneriert werden. Heute bleibt der ganze Acker frei von Bioziden. Mäßige Düngung und Anbau von Wintergetreide tragen zum Erhalt der hier wieder erstarkten Kalkackerflora bei. In der Ahraue wurden die im unteren Abschnitt vormals gepflanzten Blaufichten abgetrieben und die offenen Flächen der freien Sukzession überlassen. Inzwischen hat sich hier eine Hochstaudenflur mit seltenen Arten eingestellt, die sich langfristig über Gebüschstadien zum Erlenauenwald zurückentwickeln wird.

Als verbleibende Aufgabe stellt sich noch die Umwandlung der Kiefern- und verbliebenen Blaufichten-Forste in naturnahe Laubwaldbestände. Zur Information von interessierten Besuchern wurden an zwei Stellen Tafeln mit Bildern und instruktiven Texten aufgestellt.

 

 

 

 

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