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Seidenbachtal /Froschberg

Text überwiegend von NRW-Stiftung übernommen (Dr. R. Wißkirchen, Prof. Dr W. Schuhmacher)

Historische und aktuelle Nutzungen

Die Eifelkalkgebiete wurden aufgrund der Fruchtbarkeit ihrer Böden bereits seit der Jungsteinzeit (Neolithikum) besiedelt. Ihnen folgten Germanen, Römer und Franken. Ortsnamen mit der Endung -dorf wie z.B. in Blankenheimerdorf verweisen auf die fränkische Siedlungsperiode ab dem 8. Jahrhundert.
Die guten Mergelböden der Kalkmulden wurden überwiegend ackerbaulich genutzt und zu dieser Zeit mit Roggen, Hafer und Dinkel bestellt. Im Volksmund hießen die Kalkgebiete daher auch "Dinkelland". Im Bereich von Hanglagen wurden zur besseren Bewirtschaftung Ackerterrassen angelegt, die heute noch im Seidenbachtal deutlich zu erkennen sind. Nur sehr flachgründige, steile und dorfferne Flächen dienten als Schafweide. Seit den 30er Jahres des 20. Jahrhunderts wurden die Äcker im Seidenbachtal nach und nach in Wiesennutzung umgewandelt, da die Ackernutzung nicht mehr lohnte.
Die steileren Böschungen blieben ungenutzt und wurden abgeflämmt. Der früher im Kirchenbesitz befindliche Froschberg war hin und wieder hauptsächlich als Weide genutzt worden. In den 60er Jahren fielen die Flächen dort brach und wurden teilweise mit Lärchen aufgeforstet. Auch im Südwesten des Gebietes fielen Teilflächen brach, die längere Zeit als Weide gedient hatten. Dort war der einzige größere Wacholderbestand der Blankenheimer Kalkmulde erhalten geblieben, der mehr und mehr zu verbuschen drohte.
Im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens (1978-1991) wurden 1982 besonders wertvolle Flächen (5,7 ha) im Seidenbachtal und am Froschberg von der Stiftung zum Schutz gefährdeter Pflanzen (Loki-Schmidt) erworben, um zu verhindern, dass die verbliebenen Zeugen historischer Nutzungen der Aufforstung mit Nadelhölzern oder der Sukzession zum Opfer fallen. Ab 1992 übernahm dann die NRW-Stiftung diese Flächen und kaufte viele weitere hinzu (z.Z. ca. 80 ha).
Im Rahmen des Projekts "Ahr 2000" ist das Gebiet seit 2004 integrativer Bestandteil des großräumigen Schutzgebietsystems "Obere Ahr", zu dem noch weitere NRW-Stiftungsflächen, z.B. das "Obere Ahrtal bei Ahrhütte" gehören.

Vegetation

Im Gebiet von Seidenbachtal und Froschberg beherrschen heute extensive Grünland- und Magerrasenflächen das Landschaftsbild. Den größten Flächenanteil besitzen montane Glatthaferwiesen (Arrhenatheretum) Ausprägung mit Wiesen-Kümmel (Carum carvi) und Frauenmantel-Arten (Alchemilla spp.). Bei diesen kann zwischen einer frischen (A. typicum), einer trockenen (A. brometosum) und einer wechselfeuchten Ausbildung (A. cirsietosum palustris) unterschieden werden. Letztere ist nur in dem von einem Fichtenriegel abgetrennten Südteil am Rande des Gebietes ausgebildet. Hier wachsen bezeichnende Arten wie Scharfkantiges Sumpfvergißmeinicht (Myosotis nemorosa), Kuckucks-Lichtnelke (Silene flos-cuculi) und Breitblättriges Knabenkraut (Dactylorhiza majalis).
Die trockene Ausbildung der Glatthaferwiesen mit Arten wie Aufrechter Trespe (Bromus erectus), Kleinem Wiesenknopf (Sanguisorba minor) und Wiesen-Salbei (Salvia pratensis) leitet standörtlich und floristisch zu den Kalkmagerrasen über, die im Gebiet mit dem Enzian-Schillergrasrasen (Gentiano-Koelerietum) vertreten sind. Für diesen sind insbesondere Beweidungszeiger typisch, wie die dem Erdboden angedrückte Stengellose Kratzdistel (Cirsium acaule), die bitter schmeckenden Enziane (Gentianella spp.) und der dornenbewehrte Kriechende Hauhechel (Ononis repens). Im Gebiet können zwei Ausbildungsformen unterschieden werden, die verbreitete typische (G.-K. typicum) und die kleinflächig entwickelte kugelblumenreiche Ausbildung (G.-K. globularietosum) auf besonders flachgründigen, trockenen Standorten mit Echter Kugelblume (Globularia punctata), Echtem und Berg-Gamander (Teucrium chamaedrys, T. montanum). Kalkmagerrasen sind sowohl im Ostteil des Gebietes am Froschberg entlang der Straße nach Nonnenbach und besonders großflächig im Seidenbachtal entwickelt.

Flora (Farn- und Blütenpflanzen)

Die Flora des Gebietes ist mit 431 Arten ungemein reichhaltig, vor allem, wenn man bedenkt, dass es zu 4/5 aus Wiesen und Kalkmagerrasen besteht. Zu dieser Vielfalt tragen insbesondere die Kalkmagerrasen bei, von denen bekannt ist, dass sie auf kleinstem Raum eine hohe Artenfülle beherbergen. Bemerkenswert ist die Flora des Gebietes auch in qualitativer Hinsicht. Nicht weniger als 73 Arten der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen von NRW kommen hier vor, so z.B. Mondraute (Botrychium vulgare) und Gewöhnliche Natternzunge (Ophioglossum vulgatum) unter den Farnpflanzen, Geflecktes Ferkelkraut (Hypochaeris maculata), Große Sommerwurz (Orobanche elatior) und Berg-Gamander (Teucrium montanum) u.a. mehr unter den Blütenpflanzen.

Allein 13 Orchideen-Arten finden sich im Gebiet, darunter Seltenheiten wie das Kleine Knabenkraut (Orchis morio), das Brand-Knabenkraut (Orchis ustulata), die Fliegen-Ragwurz (Ophrys insectifera), Grüne Hohlzunge (Coeloglossum viride) und die Honigorchis (Herminium monorchis). In den Kalkmagerrasen tragen im Sommer die gut 15.000 rosa blühenden Pflanzen der Großen Händelwurz (Gymnadenia conopsea) deutlich zu dem beeindruckenden bunten Blütenteppich bei, oft begleitet von Massenbeständen des gelb blühenden Wundklees (Anthyllis vulneraria).
Erste Akzente setzen aber schon Ende April die zahlreichen Blüten der Wiesen-Schlüsselblume (Primula veris). Noch etwas früher im Jahr, schon Anfang April - bevor die meisten Pflanzen überhaupt austreiben - zeigen sich die großen violetten Blüten der Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris).


Nicht in der Roten Liste stehend, aber zweifellos eine floristische Besonderheit ist die ca. 200 Jahre alte Süntelbuche (Fagus sylvatica var. suenteliensis), die auf einem Hügelgrab am Froschberg steht. Es handelt sich dabei um eine Mutation der einheimischen Rotbuche mit niedrigem Stamm und stark herabgebogenen, ausladenden Ästen, die seinerzeit im Süntel, einem Mittelgebirge in Niedersachsen (südwestlich von Hannover) entstanden ist - also um einen Baum von botanisch-historischem Wert, der als Naturdenkmal (ND) ausgewiesen ist.

Naturschutzfachliche Bedeutung

Das Naturschutzgebiet mit dem Seidenbachtal und dem Froschberg repräsentiert einen der wenigen noch verbliebenen, großflächigen, montanen Grünlandkomplexe der Eifel mit Kalkmagerrasen und extensiven Glatthaferwiesen unterschiedlicher Prägung (trocken, frisch, feucht) sowie - kleinflächig - Goldhaferwiesen und Borstgrasrasen. Sie sind Lebensraum für zahlreiche seltene und gefährdete Arten, darunter z.B. 13 Orchideen-, 4 Kreuzblümchen- und 2 Enzianarten, Berggamander, Gewöhnliche Natternzunge, Kleines Mädesüß, Gewöhnliche Kuhschelle, Wiesen-Salbei und Gewöhnliches Katzenpfötchen. Bemerkenswert sind auch die Wacholdervorkommen und die alte Süntelbuche.
Auch die Schmetterlingsfauna ist außerordentlich reichhaltig und spiegelt das Blütenangebot und entsprechende Strukturen und Futterpflanzen für die Raupen wieder. Das Gebiet ist zweifellos von landesweiter Bedeutung.
 

Nutzung, Pflege, Entwicklung

Das Hauptgewicht naturschutzrelevanter Maßnahmen besteht in der Erhaltung bzw. Wiederherstellung extensiver Grünlandflächen mittels traditionelle Bewirtschaftungsformen unter Einbeziehung auch der brachgefallenen Flächen. Der größte Teil des Gebietes wird heute von vier Landwirten im Rahmen des Vertragsnaturschutzes bewirtschaftet (ohne Düngung). Um die Ausmagerung zu beschleunigen, werden die Wiesen, die früher gedüngt wurden, 1-2-schürig (bzw. 1-schürig mit Nachbeweidung) genutzt. Der erste Mahdtermin liegt hier Mitte Juni. Ansonsten wird erst ab Anfang Juli bis Anfang August gemähd, um auch den rel. spät blühenden Arten genügend Zeit zum Aussamen zu geben.
Zugleich wird das Prinzip der Staffelmahd angewendet, d.h. die Parzellen werden über einen Zeitraum von 2-4 Wochen nacheinander abgemäht, um Insekten und anderen Tieren ausreichend Ausweichmöglichkeiten zu geben. In den mähbaren Flächen der Kalkmagerrasen erfolgt die Mahd Anfang August - nicht mähbare Flächen wie steile Böschungen, wacholderreiche Flächen etc. werden mit Schafen beweidet (Hüteschafhaltung).
Die verschiedenen Nadelholzbestände (Fichten, Kiefern, Lärchen) werden nach und nach in naturnahen Buchenwald, teilweise auch in Grünland umgewandelt. Lärchen- und Kiefern-Bestände wurden hierfür schon aufgelichtet und mit Rotbuchen unterpflanzt. Die am Froschberg gepflanzten Grauerlen-Bestände werden teilweise abgeholzt, teilweise mit Buchen aufgeforstet.
Die Entwicklung der Flächen verläuft seit ihrer Unterschutzstellung und der Wiederaufnahme traditioneller extensiver Nutzung sehr positiv, was sich allein schon an der Zunahme einiger seltener Arten in den letzten Jahren und Jahrzehnten ablesen läßt.
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