Text überwiegend von NRW-Stiftung übernommen (Dr. R. Wißkirchen, Prof. Dr W. Schuhmacher)
Historische und aktuelle Nutzungen
Unter den heutigen wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen ermöglichen die Klima- und Bodenverhältnisse in diesem
Gebiet eigentlich nur Grünland- und Waldnutzung. Tatsächlich aber
erstreckten sich - wie alte Karten zeigen - zu Beginn des 19.
Jahrhundert hier ausgedehnte Heideflächen, die z. T. auch ackerbaulich
genutzt wurden. Der Wald war dagegen durch Übernutzung (Waldweide,
Rottwirtschaft, Brennholz-, Bauholz-, später Holzkohlengewinnung) zu
dieser Zeit bereits stark zurückgedrängt.
Von landschaftsprägender Bedeutung waren vor allem
Schafhaltung (Hutungen) und die sog. Schiffelkultur, eine besondere Form
der Brandkultur bzw. Feld-Heide-Wechselwirtschaft, die seit dem 14
Jahrhundert in der Eifel bekannt ist. Hierbei wurde in Magerrasen- oder
Heideflächen die gesamte Vegetationsdecke abgeplaggt, getrocknet, mit
Reisig vermischt, verbrandt und die Asche als Dünger auf den
abgeplaggten Parzellen verteilt. Dann wurde 2-3 Jahre lang Getreide
(Roggen, Hafer, Buchweizen) eingesäht, worauf wieder eine längere
Brachephase (15-20 Jahre) für die notwendige Erholung hinsichtlich der
Bodenfruchtbarkeit sorgte.
Vegetation
Sieht man von den randlichen Fichtenforsten einmal
ab, dann prägen vor allem Grünlandflächen und Heiden unterschiedlicher
Nährstoffniveaus und Feuchtestufen das Gebiet (vgl. Vegetationskarte
eines Teilgebietes westl. der B258). Zu nennen sind hier in erster Linie
die artenreichen Bergwiesen, insbes. die durch Orchideen und viele
Krautpflanzen wie z.B. Wald-Storchschnabel auffällig bunte
Goldhafer-Wiese (Geranio-Trisetetum) sowie die etwas nährstoffärmere
Bärwurz-Wiese (Festuca rubra-Meum-athamanticum Ges.). Daneben spielen
Feucht- und Nasswiesen (Calthion- u. Molinion-Ges.) mit von
Sumpfdotterblumen, Spitzblütiger Binse und Pfeifengras geprägten
Vegetationstypen sowie Mädesüß-Staudenfluren (Filipendulion-Ges.) auf
den staufeuchten oder quellignassen Böden eine wichtige Rolle.
Kleinflächiger entwickelt sind die eigentlichen
Zeugen der historischen "Ödland-Wirtschaft", die bodensauren Magerrasen:
Trockenere Bereiche werden vom Kreuzblumen-Borstgrasrasen
(Polygalo-Nardetum), wechselfeuchte, z.T. auch anmoorige vom
Torfbinsen-Borstgrasrasen (Juncetum squarrosi) mit dem auffälligem
Lungen-Enzian eingenommen. Noch feuchtere und zugleich sehr
nährstoffarme Standorte besiedelt die eher kleinflächig entwickelte
Glockenheide-Gesellschaft (Erica tetralix-Ges.).
Zwischen Goldhaferwiesen und Borstgrasrasen
vermittelt die artenärmere Rotschwingel-Straußgras-Wiese (Festuca
rubra-Agrostis capillaris-Ges.), wie überhaupt Goldhaferwiesen,
Feuchtwiesen und Borstgrasrasen oft Vegetationskomplexe bilden mit
vielfältigen Übergängen und kleinmosaikartiger Verteilung. Hinzu kommen
die mehr von Gräsern geprägten Glatthafer-Wiesen (Arrhenatheretum
elatioris) und mageren Weidelgras-Weißklee-Weiden (Cynosuro-Lolietum
luzuletosum campestris = Festuco-Cynosuretum).
Flora
Die Sistig-Krekeler Heide repräsentiert eine der
wenigen noch verbliebenen Reste ehemals landschaftsprägender Heiden,
bodensaurer Magerrasen und Feuchtwiesen der Eifel. Das Gebiet ist von
landesweiter Bedeutung, sowohl unter kulturhistorischen wie
naturschützerischen Gesichtspunkten.
Die aktuelle Liste der Farn- und Blütenpflanzen
weist für diese NRW-Stiftungsfläche 259 Arten auf, darunter 44 Arten,
die in der Roten Liste von Nordrhein-Westfalen stehen, wie z.B. Arnika
(Arnika montana), Mondraute (Botrychium lunaria), Weiße Waldhyazinthe
(Platanthera bifolia), Breitblättriges Knabenkraut (Dactylorhiza
latifolia) oder Wald-Läusekraut (Pedicularis sylvatica).
Die floristische Bedeutung des Gebietes wird noch
klarer, wenn man sich vergegenwärtigt, dass z.B. die Grüne Hohlzunge
(Coeloglossum viride) hier ihr größtes Vorkommen in Nordrhein-Westfalen
und der Lungen-Enzian (Gentiana pneumonanthe) sein größtes Vorkommen im
Rheinland besitzt.
An der Universität Bonn (Geobotanik und
Naturschutz) wurden in den letzten Jahren, insbes. seit 2002,
umfangreiche Zählungen und statistisch gesicherte Schätzungen von
Populationsgrößen seltener und gefährdeter Arten durchgeführt, die den
Weg zu dem erforderlichen Bio-Monitoring und damit auch zu einer
quantitativen Effizienzkontrolle von Naturschutzmaßnahmen eröffnen. Für
10 Arten liegen bereits exakte Ergebnisse vor.
Nicht nur Höhere Pflanzen charakterisieren den
Reichtum des Gebietes. Der (Geo)Tag der Artenvielfalt (am 17.6.2003)
brachte es an den Tag: Wissenschaftler unterschiedlichster
Fachrichtungen der Universitäten Bonn und Aachen erforschten das Gebiet
einen Tag lang minutiös. Ihre Bilanz (einschließlich früherer Funde):
743 Arten von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen. Zu den 258 Arten von
Farn- und Blütenpflanzen kommen 75 Arten von Moosen und Flechten sowie
11 Pilzarten.
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Grüne Hohlzunge - Coeloglossum viride |
Rundblättriges Wintergrün - Pyrola tundifolia |
Lungen-Enzian - Gentiana pneumonanthe |
Wald-Läusekraut - Pedicularis sulvatica |
Dactylorhiza maculata - Geflecktes Knabenkraut |
Nutzung, Renaturierung, Restitution
Die Rettung der wertvollen Heide- und
Magerrasenflächen erfolgte quasi "in letzter Minute". 1974 machte W.
Schumacher auf Wert und Gefährdung des Gebietes, auf das schon
Schwickerath 1937 hinwies, aufmerksam.
Neben der Aufforstung von Teilflächen waren vor
allem die Verfilzung und Verbuschung der brachgefallenen Grünlandflächen
ein großes Problem. Die Verfilzung führte zu einem immer dichteren
Vegetationsschluss, der konkurrenzschwache, niedrigwüchsige Arten nach
und nach zurückdrängte, Keimung und Entwicklung von Jungpflanzen
behinderte oder unterband. Später setzte je nach Nährstoffgehalt eine
partielle oder flächige Verbuschung ein, die letztlich durch zunehmende
Beschattung zum Absterben der meisten Grünlandarten führte. Diese
Prozesse waren im Gebiet an vielen Stellen bereits weit fortgeschritten.
Nadelholz-Aufforstungen zwischen 1970 und 1985 mit Fichte
(Weihnachtsbäume), Kiefer und Lärche drohten zudem, den Flächenverlust
noch zu verstärken und zu beschleunigen.
Heute werden diese Flächen sämtlich im Rahmen des
Vertragsnaturschutzes von vier landwirtschaftlichen
Haupterwerbsbetrieben der Region im Sinne des Naturschutzes
bewirtschaftet und von der Biologischen Station des Kreises Euskirchen
in Nettersheim betreut. Zur Zeit wird ein Leitsystem mit Wegen und
Pfaden für Wanderer und Besucher eingerichtet und Informationstafeln
aufgestellt.
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Westliche Teilfläche vor Beseitigung der Fichten |
Westliche Teilfläche nach Beseitigung der Fichten |
Literatur:
Kam, H. (2004): Populationsgrößen und -entwicklung von Dactylorhiza
majalis, Gentiana pneumonanthe und Platanthera bifolia auf
Vertragsnaturschutzflächen in der Sistig-Krekeler Heide.- unveröff.
Dipl. Arbeit, Bonn.
Krause, S. & Klingenstein, F. (1996): Biotopmonitoring von
Zwergstrauchheiden und Silikatmagerasen in der Nordeifel (2 Teile).-
unveröff. Gutachten (im Auftrag der Landesanstalt für Ökologie,
Bodenordnung und Forsten NRW), Bonn, 17 S. + Erfassungsbögen.
Kühne, C. (2004): Populationsgrößen und -entwicklung von Botrychium
lunaria, Dactylorhiza maculata und Pedicularis sylvatica auf
Vertragsnaturschutzflächen in der Sistig-Krekeler Heide.- unveröff.
Dipl. Arbeit, Bonn, 130 S. + Anhang.
Landwirtschaftliche Fakultät der Universität Bonn (2003): Tag der
Artenvielfalt (17. Juni 2003) - Inventarisierung zur Erfassung der
Biodiversität in der Sistig-Krekeler Heide.- unveröff. Broschüre, Bonn,
15. S.
Lex, C. (2003): Populationsgrößen und -entwicklung von Arnica montana,
Platanthera chlorantha und Coeloglossum viride auf
Vertragsnaturschutzflächen in der Sistig-Krekeler Heide.- unveröff.
Dipl. Arbeit, Bonn, 101 S. + Anhang.
Ludwig, G. (1987): Vegetationskundliche und standörtliche
Untersuchungen der Borstgrasrasen (Nardetalia) im Kreis Euskirchen unter
besonderer Berücksichtigung der Bryophyta.- unveröff. Dipl. Arbeit,
Bonn, 98 S. + Anhang.
Maul, M. (1997): Regenerierung, Entwicklung und Nutzung der
Sistig-Krekeler Heide.- unveröff. Dipl. Arbeit, Bonn, 97 S. + Anhang.
Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (1993):
Naturschutz im Rheinland.- Kommissions-Verlag: Neusser Druckeri und
Verlag GmbH, Neuss, 444 S.
Schumacher, W. (1974): Zum Schutze unserer Landschaft - Neue geplante
Schutzgebiete im Naturpark Nordeifel.-Jahrbuch des Kreises Euskirchen
Jg. 1974: 111-123.
Schumacher, W. (1977): Flora und Vegetation der Sötenischer Kalkmulde
(Eifel).-Decheniana-Beih. 19: 1-199 + Photos.
Schumacher, W., Weis, J. & Opitz, F. (1998): Zur
Populationsentwicklung seltener und gefährdeter Orchideen in
Offenlandbiotopen der Eifel während der letzten Jahrzehnte.-Jahresber.
Naturwiss. Ver. Wuppertal, Beih. 51: 230-255.