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Sistig-Krekeler Heide

Sistig-Krekeler Heide bei Kall /Eifel (1986 - 2005)

Text überwiegend von NRW-Stiftung übernommen (Dr. R. Wißkirchen, Prof. Dr W. Schuhmacher)

Historische und aktuelle Nutzungen

Unter den heutigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ermöglichen die Klima- und Bodenverhältnisse in diesem Gebiet eigentlich nur Grünland- und Waldnutzung. Tatsächlich aber erstreckten sich - wie alte Karten zeigen - zu Beginn des 19. Jahrhundert hier ausgedehnte Heideflächen, die z. T. auch ackerbaulich genutzt wurden. Der Wald war dagegen durch Übernutzung (Waldweide, Rottwirtschaft, Brennholz-, Bauholz-, später Holzkohlengewinnung) zu dieser Zeit bereits stark zurückgedrängt.
Von landschaftsprägender Bedeutung waren vor allem Schafhaltung (Hutungen) und die sog. Schiffelkultur, eine besondere Form der Brandkultur bzw. Feld-Heide-Wechselwirtschaft, die seit dem 14 Jahrhundert in der Eifel bekannt ist. Hierbei wurde in Magerrasen- oder Heideflächen die gesamte Vegetationsdecke abgeplaggt, getrocknet, mit Reisig vermischt, verbrandt und die Asche als Dünger auf den abgeplaggten Parzellen verteilt. Dann wurde 2-3 Jahre lang Getreide (Roggen, Hafer, Buchweizen) eingesäht, worauf wieder eine längere Brachephase (15-20 Jahre) für die notwendige Erholung hinsichtlich der Bodenfruchtbarkeit sorgte.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Heiden, Magerwiesen und - weiden insbesondere durch Nadelholzaufforstungen nach und nach zurückgedrängt. Der Prozess dauerte bis in die 1970er Jahre. Fettwiesen und -weiden haben im Gebiet immer eine untergeordnete Rolle gespielt, während der Ackerbau bis etwa 1940 stets von Bedeutung war. In der NS-Zeit wurden im Rahmen des Reichsarbeitsdienstes sogar großflächig Entwässerungsgräben gezogen, um mehr Ackerland gewinnen zu können. Spuren der Entwässerungsmaßnahmen lassen sich im Gebiet noch nachweisen. Heute ist der Ackerbau hier ganz verschwunden.

Vegetation

Sieht man von den randlichen Fichtenforsten einmal ab, dann prägen vor allem Grünlandflächen und Heiden unterschiedlicher Nährstoffniveaus und Feuchtestufen das Gebiet (vgl. Vegetationskarte eines Teilgebietes westl. der B258). Zu nennen sind hier in erster Linie die artenreichen Bergwiesen, insbes. die durch Orchideen und viele Krautpflanzen wie z.B. Wald-Storchschnabel auffällig bunte Goldhafer-Wiese (Geranio-Trisetetum) sowie die etwas nährstoffärmere Bärwurz-Wiese (Festuca rubra-Meum-athamanticum Ges.). Daneben spielen Feucht- und Nasswiesen (Calthion- u. Molinion-Ges.) mit von Sumpfdotterblumen, Spitzblütiger Binse und Pfeifengras geprägten Vegetationstypen sowie Mädesüß-Staudenfluren (Filipendulion-Ges.) auf den staufeuchten oder quellignassen Böden eine wichtige Rolle.
Kleinflächiger entwickelt sind die eigentlichen Zeugen der historischen "Ödland-Wirtschaft", die bodensauren Magerrasen: Trockenere Bereiche werden vom Kreuzblumen-Borstgrasrasen (Polygalo-Nardetum), wechselfeuchte, z.T. auch anmoorige vom Torfbinsen-Borstgrasrasen (Juncetum squarrosi) mit dem auffälligem Lungen-Enzian eingenommen. Noch feuchtere und zugleich sehr nährstoffarme Standorte besiedelt die eher kleinflächig entwickelte Glockenheide-Gesellschaft (Erica tetralix-Ges.).
Zwischen Goldhaferwiesen und Borstgrasrasen vermittelt die artenärmere Rotschwingel-Straußgras-Wiese (Festuca rubra-Agrostis capillaris-Ges.), wie überhaupt Goldhaferwiesen, Feuchtwiesen und Borstgrasrasen oft Vegetationskomplexe bilden mit vielfältigen Übergängen und kleinmosaikartiger Verteilung. Hinzu kommen die mehr von Gräsern geprägten Glatthafer-Wiesen (Arrhenatheretum elatioris) und mageren Weidelgras-Weißklee-Weiden (Cynosuro-Lolietum luzuletosum campestris = Festuco-Cynosuretum).
Die im Zuge der Wiederbewaldung teilweise verbuschten Flächen sowie Zwischenstrukturen werden von Ohrweiden-Gebüschen (Frangulo-Salicetum auritae) und birkenreichen Ebereschen-Zitterpappel-Pionierwäldern (Sorbus aucuparia-Populus tremula-Ges.) eingenommen. Insgesamt lassen sich im Gebiet etwa 20 Vegetationseinheiten (vgl. Liste der Pflanzengesellschaften) unterscheiden.

Flora

Die Sistig-Krekeler Heide repräsentiert eine der wenigen noch verbliebenen Reste ehemals landschaftsprägender Heiden, bodensaurer Magerrasen und Feuchtwiesen der Eifel. Das Gebiet ist von landesweiter Bedeutung, sowohl unter kulturhistorischen wie naturschützerischen Gesichtspunkten.
Die aktuelle Liste der Farn- und Blütenpflanzen weist für diese NRW-Stiftungsfläche 259 Arten auf, darunter 44 Arten, die in der Roten Liste von Nordrhein-Westfalen stehen, wie z.B. Arnika (Arnika montana), Mondraute (Botrychium lunaria), Weiße Waldhyazinthe (Platanthera bifolia), Breitblättriges Knabenkraut (Dactylorhiza latifolia) oder Wald-Läusekraut (Pedicularis sylvatica).
Die floristische Bedeutung des Gebietes wird noch klarer, wenn man sich vergegenwärtigt, dass z.B. die Grüne Hohlzunge (Coeloglossum viride) hier ihr größtes Vorkommen in Nordrhein-Westfalen und der Lungen-Enzian (Gentiana pneumonanthe) sein größtes Vorkommen im Rheinland besitzt.
An der Universität Bonn (Geobotanik und Naturschutz) wurden in den letzten Jahren, insbes. seit 2002, umfangreiche Zählungen und statistisch gesicherte Schätzungen von Populationsgrößen seltener und gefährdeter Arten durchgeführt, die den Weg zu dem erforderlichen Bio-Monitoring und damit auch zu einer quantitativen Effizienzkontrolle von Naturschutzmaßnahmen eröffnen. Für 10 Arten liegen bereits exakte Ergebnisse vor.

Nicht nur Höhere Pflanzen charakterisieren den Reichtum des Gebietes. Der (Geo)Tag der Artenvielfalt (am 17.6.2003) brachte es an den Tag: Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen der Universitäten Bonn und Aachen erforschten das Gebiet einen Tag lang minutiös. Ihre Bilanz (einschließlich früherer Funde): 743 Arten von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen. Zu den 258 Arten von Farn- und Blütenpflanzen kommen 75 Arten von Moosen und Flechten sowie 11 Pilzarten.

Nutzung, Renaturierung, Restitution

Die Rettung der wertvollen Heide- und Magerrasenflächen erfolgte quasi "in letzter Minute". 1974 machte W. Schumacher auf Wert und Gefährdung des Gebietes, auf das schon Schwickerath 1937 hinwies, aufmerksam.
Neben der Aufforstung von Teilflächen waren vor allem die Verfilzung und Verbuschung der brachgefallenen Grünlandflächen ein großes Problem. Die Verfilzung führte zu einem immer dichteren Vegetationsschluss, der konkurrenzschwache, niedrigwüchsige Arten nach und nach zurückdrängte, Keimung und Entwicklung von Jungpflanzen behinderte oder unterband. Später setzte je nach Nährstoffgehalt eine partielle oder flächige Verbuschung ein, die letztlich durch zunehmende Beschattung zum Absterben der meisten Grünlandarten führte. Diese Prozesse waren im Gebiet an vielen Stellen bereits weit fortgeschritten. Nadelholz-Aufforstungen zwischen 1970 und 1985 mit Fichte (Weihnachtsbäume), Kiefer und Lärche drohten zudem, den Flächenverlust noch zu verstärken und zu beschleunigen.
Nachdem große Teile der Sistig-Krekeler Heide von der NRW-Stiftung aufgekauft worden waren, konnte mit der Renaturierung im größeren Maßstab begonnen werden.
 Die sukzessive Beseitigung der Fichten- und Lärchen-Bestände und Entbuschungen von Teilflächen waren die ersten Hilfsmaßnahmen. Nach der "Erstpflege" mit einem Mulchmäher und dem Abräumen des Mähgutes einschließlich des Astmaterials und der Stubben konnten die artenreichen Wiesen, Weiden und Magerrasen innerhalb von 2-4 Jahren erfolgreich renaturiert werden. Dies war in so kurzer Zeit möglich, weil der Bestandesschluss in den Nadelholzforsten noch nicht erfolgt war. Sonst hätte es wesentlich länger gedauert.

Heute werden diese Flächen sämtlich im Rahmen des Vertragsnaturschutzes von vier landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetrieben der Region im Sinne des Naturschutzes bewirtschaftet und von der Biologischen Station des Kreises Euskirchen in Nettersheim betreut. Zur Zeit wird ein Leitsystem mit Wegen und Pfaden für Wanderer und Besucher eingerichtet und Informationstafeln aufgestellt.

Literatur:

Kam, H. (2004): Populationsgrößen und -entwicklung von Dactylorhiza majalis, Gentiana pneumonanthe und Platanthera bifolia auf Vertragsnaturschutzflächen in der Sistig-Krekeler Heide.- unveröff. Dipl. Arbeit, Bonn.

Krause, S. & Klingenstein, F. (1996): Biotopmonitoring von Zwergstrauchheiden und Silikatmagerasen in der Nordeifel (2 Teile).- unveröff. Gutachten (im Auftrag der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten NRW), Bonn, 17 S. + Erfassungsbögen.

Kühne, C. (2004): Populationsgrößen und -entwicklung von Botrychium lunaria, Dactylorhiza maculata und Pedicularis sylvatica auf Vertragsnaturschutzflächen in der Sistig-Krekeler Heide.- unveröff. Dipl. Arbeit, Bonn, 130 S. + Anhang.

Landwirtschaftliche Fakultät der Universität Bonn (2003): Tag der Artenvielfalt (17. Juni 2003) - Inventarisierung zur Erfassung der Biodiversität in der Sistig-Krekeler Heide.- unveröff. Broschüre, Bonn, 15. S.

Lex, C. (2003): Populationsgrößen und -entwicklung von Arnica montana, Platanthera chlorantha und Coeloglossum viride auf Vertragsnaturschutzflächen in der Sistig-Krekeler Heide.- unveröff. Dipl. Arbeit, Bonn, 101 S. + Anhang.

Ludwig, G. (1987): Vegetationskundliche und standörtliche Untersuchungen der Borstgrasrasen (Nardetalia) im Kreis Euskirchen unter besonderer Berücksichtigung der Bryophyta.- unveröff. Dipl. Arbeit, Bonn, 98 S. + Anhang.

Maul, M. (1997): Regenerierung, Entwicklung und Nutzung der Sistig-Krekeler Heide.- unveröff. Dipl. Arbeit, Bonn, 97 S. + Anhang.

Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (1993): Naturschutz im Rheinland.- Kommissions-Verlag: Neusser Druckeri und Verlag GmbH, Neuss, 444 S.

Schumacher, W. (1974): Zum Schutze unserer Landschaft - Neue geplante Schutzgebiete im Naturpark Nordeifel.-Jahrbuch des Kreises Euskirchen Jg. 1974: 111-123.

Schumacher, W. (1977): Flora und Vegetation der Sötenischer Kalkmulde (Eifel).-Decheniana-Beih. 19: 1-199 + Photos.

Schumacher, W., Weis, J. & Opitz, F. (1998): Zur Populationsentwicklung seltener und gefährdeter Orchideen in Offenlandbiotopen der Eifel während der letzten Jahrzehnte.-Jahresber. Naturwiss. Ver. Wuppertal, Beih. 51: 230-255.

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